100
Jahre Pfadfinden
in Deutschland
Es geht um
unseren gemeinsamen Namen „Pfadfinder“, der 1909 von Dr. Alexander
Lion im „Pfadfinderbuch“ als Übersetzung von „Boy
Scout“ eingeführt und in München am 25. 09. 1909 mit der
Gründung des 1. Münchner Pfadfinderzuges durch Franz Paul Wimmer
erstmalig in Deutschland mit konkreter Bedeutung versehen wurde.
ab 1903
Franz Paul Wimmer (22.02.1878 – 12.05.1966) – erst Referendar
am Ludwigsgymnasium, dann Lehrer am Alten Realgymnasium – verlegt
seinen Unterricht der Naturwissenschaften raus in die Natur und verbindet
ihn mit Wanderungen und Spielen. Er ist später Erfinder verschiedener
optischer Geräte (z.B. Tageslicht-projektor) und bleibt bis zu seinem
Tode dem Pfadfinden verbunden.
01.08.1907
bis 09.08.1907
„Experimental Camp“ auf Brownsea Island von Robert Baden-Powell.
ab
15.01.1908
„Scouting for Boys“ erscheint in England 6 x kapitelweise
14-tägig
in einer Zeitung.
17.03.1908
Dr. Alexander Lion (15.12.1870 – 03.02.1962) liest in der Times
von „Scouting for Boys“.
Mai
1908
„Scouting for Boys“ erscheint überarbeitet als Buch in
England.
vor
dem 23.08.1908
Lion nimmt mit Baden-Powell brieflich Kontakt auf. Der Verlag Otto Gmelin
erhält von BiPi für 203.- RM / 10.- £ die deutschen Verlagsrechte
an „Scouting for Boys“. BiPi bestätigt Gemelin am 23.08.1908
den Eingang des Geldes und schreibt an Lion. Lion publiziert über
das System des scouting.
30.09.-
10.10.1908
Lion in England. Er trifft Baden-Powell mehrfach und erhält von ihm
eine Pfadfinderlilie. Große Sympathie zwischen beiden. Danach Beginn
der Arbeit am „Pfadfinderbuch“ als Übertragung von „Scouting
for Boys“ auf die deutschen Verhältnisse.
November
1908
Lion prägt nach langer Diskussion in Anlehnung an J.F.Cooper´s
„Pathfinder“ den deutschen Begriff „Pfadfinder“
als deutsche Übersetzung von „Boy Scout“.
ab
04.12.1908
Lion nimmt Kontakt mit Maximilian Bayer und anderen als Mitarbeiter am
Pfadfinderbuch auf.
Januar
1909
In Berlin wird zur praktischen Erprobung und Einführung des Pfadfindens
der Verein „Jugendsport
in Feld und Wald“ gegründet. Lion ist Vorstandsmitglied, muss
aber als „Jude“ und „Englandfreund“ im Hintergrund
bleiben. Der Verein ist nur beratend tätig und will keine deutsche
Pfadfinderorganisation gründen, sondern die Methode des Pfadfindens
in bestehende Organisationen (Wandervogel, Burschenvereine, Jugendwehr)
bereichernd einbringen. Er ist ein reiner Förderverein für die
Methode Pfadfinden. Lion betreibt intensive Pressearbeit für das
Pfadfinden.
ab
März 1909
Presseangriffe gegen den Plan, Pfadfinden von England nach Deutschland
zu übertragen.
30.04.
– 01.05.1909
Erster Besuch englischer Pfadfinder in Deutschland.
Mai
1909
Lions „Pfadfinderbuch“ erscheint in München im „Verlag
der ärztlichen Rundschau Otto Gmelin“ mit einer Auflage von
5.000 Exemplaren. Mitarbeiter sind Maximilian Bayer (1872 – 1917;
Offizier), Dr. Ludwig Kemmer (1869 – 1941; Lehrer am Theresiengymnasium
München; Germanist; erst Gegner, dann Förderer von Ludwig Thoma;
Gegner des Simplicissimus; Reformpädagoge; Medienwissenschaftler;
strenger
Sittenwächter) und Heinrich Steinmetz (?; Lehrer in Bamberg). Friedenspfadfinder
und Internationalität
sind fest darin verankert. Der Verein Jugendsport in Feld und Wald wird
vorgestellt und beworben. Kemmer wird nach dem 1. WK im Jung-Bayern-Bund
aktiv und konkurriert mit den Pfadfindern. Bayer wird ab 1911 Mitgründer,
Organisator und Bundesfeldmeister des Deutschen Pfadfinderbundes (DPB).
Sommer
1909
Schüler des Alten Realgymnasiums in München (heute Oskar-von-Miller-Gymnasium)
lesen Lions „Pfadfinderbuch“. Ihre Klasse ist bis 1912 zu
Gast im ehemaligen Gebäude des Luitpoldgymnasiums Alexandrastraße
3. Sie bitten im neuen Schuljahr ihren Lehrer Franz Paul Wimmer, mit ihnen
gemäß dem Buch im Sinn des Vereins Jugendsport in Feld und
Wald eine Pfadfindergruppe zu gründen und ihr „Feldmeister“
zu sein.
25.09.1909
Sie gründen den „1. Münchner Pfadfinderzug (1. MPZ)“,
die erste deutsche Pfadfindergruppe. In Bamberg entsteht später im
Jahr unter Leitung von Lion und Steinmetz (?) nach dem Münchner Vorbild
(?) die 2. deutsche Pfadfindergruppe (?). Wimmer wird Mitglied im Verein
Jugendsport in Feld und Wald, seine Pfadfinder aber nicht.
12.03.1910
Gründung des „Bayerischen Wehrkraftvereins“ in München
durch Offiziere unter dem Protektorat des Prinzregenten Luitpold. Ziele
sind körperliche Betätigung, Naturliebe, Selbstzucht, Abhärtung,
Kameradschaftlichkeit und bayrischer Patriotismus.
Ostern
1910
Der 1. MPZ hat am Alten Realgymnasium ca. 100 Mitglieder unter 554 Schülern
und wird geteilt.
Den 2. MPZ übernimmt Wimmers Kollege Dr. Hans Zettner. Insgesamt
gab es damit dort bald ca. 140 Pfadfinder. Der Funke springt auf die anderen
Münchner Gymnasien über. Die Zahl der Mitglieder wächst
weiter sprunghaft an. Bis Ende des Jahres gründet sich der 11. Pfadfinderzug
in München.
1910
Erste deutsche Pfadfinderinnengruppe in Hamburg, laut Bericht englischer
Pfadfinderinnen.
09.
01.1911
Versammlung vom Verein "Jugendsport in Feld und Wald" (VJFW)
statt und es wird beschlossen den "Deutschen Pfadfinderbund"
zu gründen.
In
der Verbandsschrift vom VJFW "Der Wanderer" wird über die
Gründung des Deutschen Pfadfinderbundes berichtet.
In
der Weimarer Republik wurden die Vereine auf politische Einflussnahme
durch die Parteien laufend überprüft. In den Akten der Kriminalpolizei
findet sich die Notiz über die Registrierung der Gründung des
Deutschen Pfadfinderbundes: 10. Januar 1911.
In
einigen damaligen Tageszeitungen vom 11. und 12. Januar 1911 wird über
die Gründung des DPB berichtet.
Der 1. MPZ passt nach Ostern 1911 seine interne Struktur schon dem DPB
an.
13.05.1911
Beitritt des 1.MPZ zum Bayrischen Wehrkraftverein als dessen Gruppe BXII.
unter Wahrung der inneren Autonomie und des Namens „Pfadfinder“.
Kooperations- abkommen WKV-DPB werden getroffen: Der WKV lässt die
Pfadfinder gemäß dem DPB arbeiten, der DPB wird in Bayern nicht
aktiv. Die Mitgliedschaft der Pfadfinder im WKV ist wegen grundlegender
Differenzen konfliktträchtig. Grund für den Eintritt ist zunächst,
dass davon die staatliche Förderung der Gruppen abhängt, später
dann das Abkommen WKV-DPB.
14.01.1912
„Deutscher Pfadfinderbund für junge Mädchen“ in
Berlin gegründet.
Sommer
1912
Der WKV ist der umfassende Dachverband aller bayrischen Pfadfinder.
11.04.1919
Wimmer erklärt den Austritt des 1.MPZ aus dem WKV wegen dessen Unfähigkeit
zur notwendigen Neugestaltung der Jugendarbeit.
10.07.1919
Wimmer und der 1.MPZ gründen in München den Bayrischen Pfadfinderbund,
dem sich bald auch andere Pfadfinderzüge anschließen.
02.–
03.08.1919
Teilnahme des 1.MPZ am 1. deutschen Pfadfindertag auf Schloss Prunn.
Zusammengestellt von Dr. Oliver Leffler,
Stamm Albatros
AKTUELLES
(Stand:
17.11.2008
)
|